In unserer Region, dem Kreis Ahrweiler, hatte es in den letzten Wochen Ende Juni und Anfang Juli viel geregnet.
Am 14. Juli 2021 wurden dann Niederschläge bis zu 200 Liter pro Quadratmeter gemessen. Die Böden waren gesättigt und der Regen konnte vom Boden nicht mehr aufgenommen werden. Dieses Wasser ließ nicht nur die Bäche und Flüsse anschwellen, sondern floss auch an den Hängen des Ahrtals hinab, machte Straßen zu Bächen und sammelte sich im Tal.
In wenigen Stunden wurde das Ahrtal geflutet. Die Wassermassen wiederum rissen Baumstämme, Campingfahrzeuge, Autos, Gestrüpp, Holz und alles, was dem nicht standhalten konnte mit.
Das Treibgut sammelte sich an den Brücken, staute das Wasser und wenn die Brücken den gewaltigen Kräften nicht mehr standhalten konnten, zerbarsten sie unter unglaublichem Getöse und eine Welle aus Wasser, Schutt und Geröll rollte tsunamihaft bis zum nächsten Hindernis.
So wurde das Ahrtal von nachfolgenden Tsunamiwellen ins Unglück gerissen.
So fraßen sich diese Wellen vom späten Nachmittag des 14.07. bis in die Nacht des 15.07. zur ihrer Mündung in den Rhein und hinterließen ein Tal der Verwüstung mit etlichen Toten, Verletzten und bis heute traumatisierten Menschen.
Am Abend davor...
Im Laufe des Tages des 14. Julis wurden u.a. durch Katwarn mitgeteilt, dass es zu großen Regenfällen mit Überflutungen kommen kann. Aber mit solchen Ausmaßen hatte keiner von uns gerechnet.
Am 15. Juli gegen 0.30 Uhr bekamen wir einen Anruf unserer Kollegin von der Apotheke gegenüber. Das war schon das dritte Mal, dass sie sich bei uns in den letzten Wochen 3 Wochen meldete.
Durch sehr starke Regenfälle an zwei Wochenenden vor dem 14.07. hatte sich das Wasser auf unserem Flachdach - wie noch nie seit bestehen der Apotheke 1975 - so gestaut, dass Sicherungen rausgeflogen waren und dadurch sich unsere Haupttür - aufgrund feuerversicherungstechnischer Sicherheit als Fluchtweg - automatisch öffnete.
Da dies außerhalb unser Geschäftszeiten stattfand, mussten wir jedes Mal nach Neuenahr kommen und diese wieder schließen. Um diesem vorzubeugen hatten wir den Elektriker angewiesen, diese Sicherung so umzulegen, dass dies nur dann geschieht, wenn Wasser von unterkommen sollte. Das dies schneller eintreffen sollte als gedacht, mussten wir sehr schnell erfahren.
Privat wohnen wir glücklicherweise oberhalb des Ahrtals und waren am Abend noch in den Dörfern unterwegs, um Arzneimittel auszuliefern. Auch hier konnten die Felder das Wasser nicht mehr aufnehmen.
Wir hatten gerade noch in einem Dorf etwas ausgeliefert, als kurz danach die Strasse dorthin gesperrt wurde. Über Schleichwege haben wir noch alle Medikamente ausliefern können und es dann noch bis nach Hause geschafft. Privat wohnen wir glücklicherweise oberhalb des Ahrtals und waren am Abend noch in den Dörfern unterwegs, um Arzneimittel auszuliefern. Auch hier konnten die Felder das Wasser nicht mehr aufnehmen.
Wir hatten gerade noch in einem Dorf etwas ausgeliefert, als kurz danach die Strasse dorthin gesperrt wurde. Über Schleichwege haben wir noch alle Medikamente ausliefern können und es dann noch bis nach Hause geschafft.
Aber selbst dann waren wir noch arglos den katastrophalen Wetterverhältnissen und ihren Auswirkungen gegenüber. Aber selbst dann waren wir noch arglos den katastrophalen Wetterverhältnissen und ihren Auswirkungen gegenüber.
Dann kam die Nacht...
Unsere Nachbarin von der Apotheke gegenüber rief uns am Morgen des 15.07. gegen 1 Uhr an und teilte uns mit, dass in der Strasse vor unserer und ihrer Apotheke die Ahr stände. Aber nicht als ruhiges Gewässer…. Es wäre wie ein Fluß! Hüfthoch! Wie ein schneller Strom. Und das bei der Entfernung zur Ahr…
Wir sollten uns "auf das Schlimmste gefasst machen!", aber jetzt bloß nicht versuchen, runter nach Neuenahr zu kommen…das wäre zwecklos, man käme nicht bis an die Apotheke ran. Die Kollegin hatte mit ihrem Mann noch versucht ihren Eingang mit Sandsäcken abzudichten, was sich aber als zwecklos erwies. Das Wasser stieg innerhalb von 10 Minuten so schnell, dass sie es nicht mal schafften, ihr Auto vom Hinterhof in Sicherheit zu bringen.
Dies wurde übrigens für viele Menschen im Ahrtal zum Verhängnis. Sie sind der Flut zum Opfer gefallen, weil sie ihr Auto noch aus der Tiefgarage holen oder es vom Parkplatz an einen höher gelegenen Ort bringen wollten. Entweder sie schafften es nicht mehr aus dem Auto zu kommen oder wurden auf dem Weg mitgerissen….
Die Tür unserer Apotheke stand jedenfalls auf und die Wassermassen konnten ungehindert in die Apotheke strömen, einmal alles auf Links drehen und auf der anderen Seite ein Fenster zerbersten lassen, wo das Wasser wieder austreten konnte.
Die Erinnerungen...
Als erstes kamen die Ängste und Sorgen um Familienmitglieder, Freunde, Mitarbeiter, allen Menschen an der Ahr. Gerade im Angesicht der ganzen Zerstörung hier in Bad Neuenahr, von den ganzen anderen Orten ganz zu schweigen. Man hatte das zerstörerische Wasser immer noch vor sich. Braun, öldurchzogen und stinkend bahnte es sich immer noch seinen Weg durch die untere Hälfte der Fußgängerzone.
Dann kam das erste Betreten der Apotheke. Und das Entsetzen über die Zerstörung.
Vom Aktionismus der ersten Tage, mit Schlammschaufeln und Räumen bis zur Erschöpfung.
Über das Einrichten einer Notversorgung innerhalb von 3 Tagen um die Menschen mit Arzneimitteln versorgen zu können - welche nachher 3 Monate dauern sollte. Den Überlegungen, wie man es schafft, die Mitarbeiter voll weiter zu bezahlen, ihnen eine Perspektive geben zu können und wie es mit der Apotheke überhaupt weitergehen soll.
Bis hin zur gleichzeitigen Planung und Umsetzung des Wiederaufbaus, in der Gewissheit, dass man mit spitzen Bleistift rechnen muss, da auch wir unterversichert waren.
In der ganzen Zeit haben wir viel Gutes aber auch große Enttäuschung erfahren. Es wurde sich nächtelang grübelnd im Bett gewälzt, es wurde gelacht und ebenso geweint, auch heute noch…
Man hat Menschen mit Ihrem wahren Ich kennengelernt, auch hier im guten wie im schlechten Sinne.
So gaben sich seit der Flut schöne und schlechte Momente abwechselnd die Hand.
Das große Aufräumen...
Hat man es nicht erlebt, so kann man nicht nachvollziehen, wie viel Dreck und Müll sich ansammeln kann. Aber Bilder sagen da mehr als Worte.